Produktiv Schreiben

Als wir das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten wir die Anstrengungen. Mark Twain.

Wer kennt das nicht: der Text, der seit einiger Zeit entstehen soll, entsteht einfach nicht, z.B. ein Kapitel der Doktorarbeit. Entweder weil ich gar nicht erst schreibe; weil das, was ich schreibe, mir nicht gefällt; weil ich unterbrochen werde oder weil ich permanent etwas „wichtigeres“ zuerst machen muss.

Und dabei ist es egal, ob der Text auf die Homepage soll, wie mittlerweile in meinem Fall, oder für die Seminar-, Master-, Doktorarbeit gedacht ist oder auch einfach ein Bericht für den Auftraggeber verfasst werden soll.

Da kann man sich jetzt fragen, warum das so ist, ob es sinnvoller wäre, das Licht zu dimmen, eine Kerze daneben zu stellen, erst noch Atemübungen zu machen... ich habe das alles durch und meistens hilft es nicht weiter.

Was hilft dann?

Ok, hier kommt meine 4-Punkte-Strategie:

  1. Alle inneren und äußeren Störungen ausschalten,

  2. Arbeitsplatz aufsuchen,

  3. Zeit strukturieren,

  4. Arbeitsaufgabe strukturieren und anfangen.

Ich erläutere gleich noch, was das genau heisst.

Wichtig zu wissen ist noch, dass es egal ist, ob man viel Zeit hat, z.B. einen Vormittag, also etwa 4 Stunden oder vor dem nächsten Meeting lediglich ein 20-Min-Fenster zum Schreiben bleibt.  Diese Strategie geht immer.

Also, was heisst das genau?

Alle inneren und äußeren Störungen ausschalten.

Äußere Störungen ausschalten heißt im Klartext: Mobiltelefon aus, Mail-Account schließen, Türklingel aus, Festnetz ausstecken, am besten das Internet aus. Das sind einige äußere Störquellen. Davon gibt es natürlich mehr.
Jetzt werden manche denken: ich kann nicht vollkommen unerreichbar sein. Das verstehe ich. Ich auch nicht. Aber ich kann für fast alle und fast alles einige Zeit unerreichbar sein.  Zum Beispiel sind mir meine Kunden nicht böse, wenn ich ihre Mails 2 Stunden später beantworte statt sofort. Es gibt aber auch Kontakte, für die wir immer erreichbar sein möchten. In meinem Fall sind das zum Beispiel die Schule und der Kindergarten, die meine Kinder besuchen. Dafür gibt es kostenlose Apps, z.B. Stay Focusd, HelpMeFocus, o.ä. Diese lassen nur die Kontaktaufnahme von bestimmten Kontakten durch, d. h. mein Mobiltelefon klingelt ausschließlich, wenn die Telefonnummern, die ich in der App festgelegt habe, mich kontaktieren möchten. Alle anderen werden geblockt.

Die inneren Störungen sind diejenigen, die in uns passieren, während wir eigentlich schreiben wollen. Es gibt verschiedene Kategorien:
Todo-Liste: Es fällt mir zum Beispiel ein, dass ich versprochen habe, Milch zu besorgen; dass ich noch eine wichtige Email an ein Projektmitglied schreiben muss etc.
Sich-Sorgen: Ich denke ständig darüber nach, wie ich mich weiterfinanziere, wenn ich erst mal fertig bin mit der Doktorarbeit.
Nicht-gut-für-sich-sorgen: ich bin ständig müde, habe keine Lust, mein Rücken schmerzt, etc.

Es hilft zum Beispiel ein Blatt Papier während des Schreibens neben sich liegen zu haben, auf das man die ToDos oder Sorgen aufschreibt, so dass man sie dann auch "im Kopf" loslassen kann. Frei nach dem Motto: "Ja, das ist auch wichtig. Ich kümmere mich später darum."

Das "Nicht-gut-für-sich-sorgen" ist oft lediglich phasenweise, dass wir z.B. ständig zu spät schlafen gehen, weil wir lieber irgendwelche Serien ansehen. Das ändert sich entweder von selbst wieder oder man muss aktiv dagegen vorgehen. Dazu aber ein andermal mehr.

Arbeitsplatz aufsuchen.

Im Idealfall gibt es einen festen Arbeitsplatz fürs Schreiben, einen Schreibtisch zu Hause oder bei vielen meiner Kunden auch die Bibliothek (mit headphones und Lernmusik) oder das Büro etc. Hier sollte möglichst alles vorhanden sein, was benötigt wird, um zu schreiben; also Artikel, Zitate, Referenzen, evtl. Rückmeldungen des Supervisors, die eingearbeitet werden sollen. Wenn diese Literatur bereits in einem Verwaltungsprogramm eingearbeitet ist, wie z.B. Mendeley kann man offline auch darauf zugreifen.

Zeit strukturieren.

Das ist nun der wichtigste Punkt. Wieviel Zeit habe ich? - 20 Minuten oder 4 Stunden? Wann und wie oft brauche ich Pausen? - bei 20 Minuten gar nicht; bei 4 Stunden viele kurze und eine längere? Wann bin ich konzentriert und leistungsfähig? – am frühen Morgen oder spät am Abend?
Für viele funktioniert eine Methode, wie z.B. die Pomodoro-Technik großartig; ganz kurz zusammengefasst: man stellt dabei einen Eierwecker auf 20 Min.; arbeitet konzentriert und hat danach 5 Minuten Pause, dann die nächste Einheit, etc. nach 3x20 Minuten sollte es eine längere Pause von ca. 30 Minuten geben.
Am Ende einer Schreibsitzung lohnt es, sich selbst gleich den Auftrag für die nächste Schreibsitzung zu geben, so dass dann der Einstieg verkürzt und erleichtert wird. Zum Beispiel: im Kapitel 3 zu den Untersuchungsmethoden, die Vor- Nachteile der Experteninterviews erarbeiten.

Arbeitsaufgabe strukturieren.

Die Schreibaufgabe „Verfasse eine Doktorarbeit“ besteht ja aus hunderten Einzelschreibsitzungen, die mal länger, mal kürzer, mal effizienter und mal weniger produktiv sind. Wichtig ist aber, am Anfang einer Schreibsitzung festzulegen, wo man am Ende - realistisch - sein möchte. Sprich, es ist in 20 Minuten durchaus möglich, aus bereits bekannten Literaturreferenzen und Argumenten zu Experteninterviews ein kurzes Kapitel von etwa 1-3 Seiten zu verfassen. Das Ziel könnte also sein: 1-3 Seiten zu Experteninterviews entwerfen. Die darauf folgende Sitzung kann dann z. B. die Straffung, sprachliche Überarbeitung und das Einfügen der korrekten Literaturangaben beinhalten.

Das ist eine mögliche Arbeitstechnik und damit auch eine Übungssache, eine Kompetenz, die Sie sich während der Doktorarbeitsphase erwerben. Das heisst aber auch, dass Sie, je häufiger Sie so vorgehen, immer besser darin werden. Sie kommen nicht nur in Ihrer Doktorarbeit voran, sondern fühlen sich auch zunehmend kompetenter und besser. Ihre Selbstwirksamkeit steigt, weil Sie den Schreibprozess selbst in die Hand nehmen.

Und jetzt? Um es mit Elvis zu sagen: „A little less conversation – a little more action“. Keine Blogposts mehr lesen. Ausprobieren. Jetzt.

Viel Erfolg!